Ein plädoyer gegen die politische unkultur

Zürich Kreis 9

Die Umgangskultur in der heutigen Politik weist zuweilen bedenkliche Züge auf. Das gilt nicht erst seit dem Wiedererstarken des Populismus. Die Polarisierung nimmt schon seit längerem zu. Oft zeigt sich in den heutigen Debatten und Kampagnen ein Zeitgeist, der sich mehr auf opportune Halbwahrheiten und Effekthascherei stützt als auf die sachliche Diskussion.

Warum das so ist und was wir alle dagegen tun können, erklärt uns Moritz Falck, Vizepräsident der FDP-Ortspartei im Stadtzürcher Kreis 9.

Für FDP9-Vizepräsident Moritz Falck ist klar: Politik darf nicht einfach anderen überlassen werden, nur weil die Auseinandersetzung mit widersprechenden Positionen als zu anstrengend oder zu unbequem empfunden wird.

Politik ist nichts für Zartbesaitete. Seit jeher wird mit harten Bandagen für die eigenen Überzeugungen gekämpft. Daran ist grundsätzlich auch nichts auszusetzen. In der politischen Meinung widerspiegelt sich die eigene Wertvorstellung. Natürlich will man sich für diese mit aller Überzeugungskraft einsetzen. Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern eine pluralistische Demokratie überhaupt funktionsfähig bleibt, wenn sich politische Kontrahenten nur noch in Fundamentalopposition gegenüberstehen. Oder wenn der politische Gegner eilfertig als moralisch verwerflich, dumm oder feige dargestellt wird, nur um der eigenen Botschaft vermeintlich mehr Profil zu geben.

Wer ist denn schon gegen soziale Gerechtigkeit? Gegen eine prosperierende Wirtschaft? Oder gegen den Schutz der Natur? Niemand! Und dennoch bezichtigen sich Parteien gegenseitig, den Staat und seine Gesellschaft ausnutzen zu wollen. «Finanzfilz», «Sozialparasiten», «Wohlstandsneider» oder «Multi-Kulti-Fantasten» sind ein paar Schlagwörter, die für die mangelnde Bereitschaft stehen, einen sachbezogenen Diskurs zu führen. Als ob eine bürgerliche Partei nur die Arbeiterschaft ausquetschen wollte?! Oder die Linksparteien bloss den ‘Robin Hood’ der Armen spielen würde?!

Selbstverständlich unterscheiden sich die Vorstellungen stark, wie soziale Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Fortschritt und Naturschutz umzusetzen sind. Doch nur weil es dazu unterschiedliche Ansichten gibt, heisst das noch lange nicht, dass die eine Seite nur richtig und die andere nur falsch liegt. Meinungsunterschiede sollten Anlass zum Wettkampf um das bessere Argument geben und dürfen nicht in die Niederungen abgleiten, wo der Andersdenkende als moralisch minderwertig oder als realitätsfremd abgestempelt wird.

«Wer sich nicht mit Politik befasst, hat die politische Parteinahme, die er sich ersparen möchte, bereits vollzogen: Er dient der herrschenden Partei» (Max Frisch).

Politik darf also nicht einfach anderen überlassen werden, nur weil die Auseinandersetzung mit widersprechenden Positionen als zu anstrengend oder zu unbequem empfunden wird. Die Demokratie lebt geradezu vom Wettstreit der Ideen. Jeder und jede kann und soll sich hier einbringen. Verdrossenheit mit Gesellschaft und Staat rechtfertigen kein Abseitsstehen. Ebenso wenig kann von politischer Ernsthaftigkeit die Rede sein, wenn aus Trägheit oder Unwillen komplexe Zusammenhänge auf schlagwortartige Leerformeln reduziert werden.

Eine funktionierende Demokratie erfordert also persönliches Engagement. Ferner braucht es die Einsicht und das Bekenntnis, die politische Auseinandersetzung nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners zu führen. Das ist zwar zeitaufwändig und oftmals nervenaufreibend, aber in jedem Fall zielführender als Opposition alleine der Blockade willen. Es braucht letztlich Kompromisslösungen, die für alle tragbar sind. Manchmal gelingt das besser, manchmal schlechter. Das einseitige Durchdrücken von Parteiprogrammen hat damit nichts zu tun. Das gilt selbst dann, wenn sich das Volk aus einer Emotion heraus für oder gegen eine unklare oder kontroverse Vorlage entscheidet. Der blosse Mehrheitsbeschluss darf nicht ohne Respekt für die Minderheitsmeinung und rechtstaatliche Grundregeln umgesetzt werden. Alles andere paralysiert den politischen Betrieb und vergiftet das politische Klima.

Die Faktoren hinter der Polarisierung der Politik sind wohl vielfältig. Vielleicht sind es die digitalen Medien, das Selbstdarstellungsbedürfnis von Einzelnen, die Provokation oder gar die Schocknachricht, nur um ein paar «Likes» zu generieren. Die millionenfache Verbreitung jeder noch so unbedarften Meinung über das Internet in Sekundenschnelle tut seinen Teil dazu. Mitunter geht es auch um die ebenso plumpe wie unverfrorene Manipulation von Bildern und Videos. Vielleicht ist es aber auch die allenthalben feststellbare Verdrossenheit mit der Politik. Das könnte Parteien dazu anregen, durch Extrempositionen Aufmerksamkeit erregen zu wollen.

Wie dem auch sein mag, wir sollten darum bemüht sein, die ‘Sache’ wieder in den Vordergrund zu rücken. Insbesondere die liberale Partei steht hier in der Pflicht. Wir stehen ein für die Freiheit des Individuums. Die Freiheit, das Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Das schliesst auch die Freiheit ein, seine eigene politische Meinung offen kundzutun. Wir wissen um die fundamentale Bedeutung dieser Freiheit. Genau aus diesem Grund müssen wir ankämpfen gegen jene, die Maulkörbe verteilen wollen oder die uneingeschränkte Deutungshoheit für sich reklamieren.

Ebenso müssen wir dafür einstehen, dass in der Vielfalt politischer Meinungsäusserungen nicht der Blick für das Wesentliche verloren geht. Dies setzt eigenes Urteilsvermögen und Augenmass voraus. Wohl oder übel sitzen wir alle im selben Boot. Entweder wir kommen gemeinsam als Gesellschaft voran, oder aber wir bleiben stehen. Der Wahlspruch Freiheit, Gemeinsinn, Fortschritt beinhaltet die Verpflichtung, sich in Sachlichkeit und Anstand der politischen Auseinandersetzung zu stellen. Alles andere bedeutet Rückschritt und ist mit dem liberalen Gedankengut unvereinbar.

Moritz Falck, Vizepräsident FDP Kreis 9